Das KSM8 Dualdyne von Shure und die Wahl des richtigen Gesangsmikrofons

Stimme ist nicht Stimme und Mikrofon nicht Mikrofon. Wir erklären – teilweise auch anhand einzelner Spezifikationen des KSM8 – einige Basics, die es zu beachten gilt, wenn man sich ein Gesangsmikrofon anschaffen möchte.

KSM8: Dynamisches Mikrofon mit Doppelmembran und Nierencharakteristik

Understatement war nicht gerade die Devise, als Shure sein Gesangsmikrofon KSM8 ankündigte – und warum auch? Schließlich ging es laut Shure bei diesem dynamischen Mikrofon mit Doppelmembran und Nierencharakteristik um eine echte Weltneuheit.

Als dynamisches Mikrofon ist das KSM8 in allererster Linie für große und komplexe Live-Sound-Anwendungen gedacht, dank seiner Technologie aber auch für Studioeinsätze geeignet, bei denen es um eine natürliche, saubere Stimmwiedergabe geht. Die für gerichtete Mikrofone typischen Nahbesprechungseffekte konnten auf ein Minimum reduziert werden.

Wir haben unserem Soundprofi Rainer einige Fragen zum KSM8 gestellt:

Rainer, Du sagst, dass das KSM8 nicht nur ein hervorragendes Gesangsmikrofon ist, sondern sich auch prima als Moderatorenmikrofon für Rundfunkaufzeichnungen eignet.

Rainer: „Das stimmt. – Normalerweise haben dynamische, gerichtete Mikrofone im Nahfeldbereich die Eigenschaft, tiefe Frequenzen unnatürlich anzuheben. Man nennt das Proximity- oder Nahbesprechungs-Effekt. Die Folge ist ein untransparentes, verwaschenes Klangbild. Entfernt man sich wieder vom Einsprechkorb, nimmt man als Moderator also wiederum einen größeren Abstand zum typischen dynamischen Mikro ein, verschwinden diese Bass-Anhebungen wieder.

Normalerweise haben dynamische, gerichtete Mikrofone im Nahfeldbereich die Eigenschaft, tiefe Frequenzen unnatürlich anzuheben.

Du kannst Dir bestimmt vorstellen, was der Mix aus Proximity-Effekt und einer bewegten Schallquelle (ein Sprecher oder Sänger bewegt sich naturgemäß nun mal!) dann hervorruft: einen wirklich schlimmen, dynamischen Soundbrei! Um dies zu kompensieren, sind normalerweise teure und komplex zu bedienende Zusatzgeräte wie Kompressoren, De-Esser, Low Cut EQing und Expander notwendig.

Mit dem KSM8 Dualdyne Mikrofon kompensiert Shure diesen Effekt von vornherein und ermöglicht so ein unkompliziertes Handling bei bestem Sound.“

Das KSM8 ermöglicht ein unkompliziertes Handling bei bestem Sound.

Shure hebt beim KSM8 die Ausstattung mit zwei Membranen und in der Konsequenz den großen Sweet Spot des Mikrofons hervor. Kannst Du ein bisschen was dazu erzählen?

Rainer: „Bei konventionellen Mikrofonen, sogenannten Druckgradientenempfängern, entsteht die optimale Klangausbeute bei einem Abstand von 5-15 cm. Unterhalb von 5 cm wird der Sound dumpf und undurchsichtig, das kommt durch die Bassanhebung. Über 15 cm Abstand wird der Sound sehr dünn.

Bei konventionellen Mikrofonen wird der Sound bei einem Abstand von weniger als 5 cm dumpf und undurchsichtig.

Das KSM8 ermöglicht hingegen einen Sprechabstand von 0-15 cm – und zwar ohne große Veränderung des Frequenzgangs. Ganz nebenbei erwähnt, wird natürlich auch eine konstantere Richtcharakteristik über einen größeren Frequenzgang erreicht. Das Handling wird wesentlich einfacher, da sich die Mikrofonparameter fast über den ganzen Frequenzgang nicht verändern. Das bringt extreme Vorteile bei der Signalverarbeitung.“

Gibt es darüber hinaus noch weitere Aspekte, mit denen das KSM8 bei Dir persönlich besonders punkten konnte?

Rainer: „Natürlich: der top Sound, das einfache Handling und die coole Optik für Live-Gigs auf höchstem Niveau!!! Beim KSM8 kommt man komplett ohne den Einsatz von Presence Peaks und Roll-Offs aus. Das heißt: einfache Bedienung bei bestem, puren Sound! Der extrem aufwendige Kapselaufbau hat bemerkenswert geringe Griffgeräusche und trotzdem wurden die Shure-typische Robustheit und Zuverlässigkeit realisiert. Ein Carbon-Mikrofonkorb mit wasserabweisendem Stoff schützt sehr gut vor Explosivlauten, Feuchtigkeit und Windeinflüssen.“

Basics: Was macht ein dynamisches Mikrofon aus?

Vor allem für Live-Einsätze

Während im Studio bevorzugt Kondensatormikrofone eingesetzt werden, eignen sich dynamische Mikrofone vor allem für Live-Shows auf Bühnen. Dynamische Mikrofone sind weniger empfindlich als typische Studiomikrofone, nehmen feinere Details nicht so sensibel auf wie sie. Gleichzeitig liefern sie ein besonders kräftiges, druckvolles Klangbild.

Vorteil: das Ignorieren von Feinheiten

Die Eigenschaft, dass klangliche Feinheiten – und damit auch Schallwellen aus größerer Entfernung – durch dynamische Mikrofone tendenziell eher schlecht erfasst werden, stellt sich bei Live-Auftritten als absoluter Pluspunkt heraus, da mit dynamischen Mikrofonen wirklich nur das „entgegengenommen“ und verarbeitet wird, was gewünscht ist: der Gesang und die Instrumente einer Band – und nicht etwa die Geräuschkulisse, die das Publikum verursacht.

Basics: Welche Eigenschaften kennzeichnen ein gutes Gesangsmikrofon?

Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, da es eine ganze Reihe von Spezifikationen gibt, die einer sehr subjektiven Einschätzung bzw. individuellen Vorliebe für diese oder jene Variante unterliegen (siehe zum Beispiel das Thema „Nahbesprechungseffekt“, auf das wir weiter unten eingehen). Es gibt allerdings schon einige Punkte, an denen man sich „entlanghangeln“ kann, um sein individuell passendes Mikrofon zu finden:

  • Gewicht
  • neutraler oder modellierter Klang?
  • minimierte Rückkopplungsanfälligkeit

Gewicht

Natürlich gibt es die Möglichkeit, für sein Mikrofon ein Stativ zu verwenden. Und es gibt ja auch Lavaliermikrofone oder Headsets. – Wenn wir aber von einem klassischen Handmikrofon sprechen, sind das Gewicht und allgemein das Handling des Mikros auf jeden Fall Kriterien, die nicht zu unterschätzen sind, gleichzeitig aber vor allem einer subjektiven Beurteilung unterliegen. Ein Handheld Mic sollte gut in der Hand liegen und für den Künstler weder zu leicht noch zu schwer wirken.

Neutraler oder modellierter Klang?

Gesangsstimmen sind einzigartig und auch Mikrofone haben ihren eigenen Klangcharakter. Mikrofone mit linearem Frequenzgang zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Klang besonders neutral und unverfälscht reproduzieren. Sie werden bevorzugt in Studioumgebungen eingesetzt.

Andere Mikrofone hingegen geben bestimmte Frequenzen verstärkt wieder („konturierter Frequenzgang“) und modellieren damit die Stimme eines Sängers gezielt, um sie beispielsweise kräftiger oder wärmer klingen zu lassen.

Um den Frequenzgang eines bestimmten Mikrofons visuell darzustellen, werden spezielle Diagramme verwendet. Für das menschliche Gehör grundsätzlich wahrnehmbar sind – grob umrissen – Frequenzen von etwa 20 Hz bis 20 kHz.

Der Frequenzgang des KSM8. Quelle Grafik: shure.de
Der Frequenzgang des KSM8. Quelle Grafik: shure.de

Der Frequenzgang des KSM8: Im Bereich der unteren bis mittleren Frequenzen (von etwa 100 Hz bis etwa 2 kHz) weist das Mikrofon einen linearen Frequenzgang auf, die höheren Frequenzen von 2 kHz bis 10 kHz werden leicht verstärkt wiedergegeben, die Frequenzen ab 10 kHz (bis zum hörbaren Bereich von 20 kHz) stark herabgesetzt. Eine leichte Abschwächung wurde auch im Bereich der unteren Frequenzen (50 bis 100 Hz) vorgenommen.

Minimierte Rückkopplungsanfälligkeit

Um fiese Rückkopplungen in Monitoring-Umgebungen zu vermeiden, greift man am besten auf Mikrofone mit Nieren- oder Supernierencharakteristik zurück. Das KSM8 verfügt über eine Nierencharakteristik mit ausgeprägter Richtwirkung.

Basics: Was versteht man unter dem Nahbesprechungseffekt?

Drastische Akzentuierung der tiefen Frequenzen

Der Nahbesprechungseffekt tritt nur in Verbindung mit Richtmikrofonen auf: Je näher die Schallquelle und das Mikrofon beieinander sind und je ausgeprägter die Richtwirkung des Mikrofons ist (die Supernierencharakteristik ist zum Beispiel ausgeprägter als die Nierencharakteristik), desto stärker werden die tiefen Frequenzen betont.

Nahbesprechungseffekt bei Mikrofonen.
Der Nahbesprechungseffekt wird auf die Spitze getrieben, wenn das Mikrofon beim Singen mit den Lippen berührt wird.

„Spielwiese“ Nahbesprechungseffekt

Ganz praktisch heißt das: Je näher ein Sänger sein Gesangsmikrofon an den Mund heranführt, desto stärker treten die tiefen Töne in den Vordergrund – der Gesang wirkt dunkel und im Extremfall fast schon anbiedernd intim. Auf die Spitze getrieben wird die Wirkung des Nahbesprechungseffektes, wenn das Mikrofon beim Singen mit den Lippen berührt wird – ein klassisches Bild, das man zum Beispiel von extrem emotionalen Balladenperformances kennt. Andersherum wirkt der Gesang tendenziell distanzierter und dünner, wenn beim Singen ein größerer Abstand zum Mikrofon eingehalten wird.

Unnatürlicher, nicht klar definierter Klang

Manche Sänger setzen den Nahbesprechungseffekt zwar ganz gezielt ein, trotzdem ist er andererseits in vielen Situationen und für viele Anwender unerwünscht und lästig. Der Nahbesprechungseffekt kann zu einer unnatürlich wirkenden, unausgeglichenen, nicht klar definierten Klangwiedergabe führen, die nur durch das Einhalten eines optimalen Abstands zum Mikrofon zu umgehen ist.

Nahbesprechungseffekt beim KSM8 marginal

Die Entwickler des KSM8 haben es geschafft, den Nahbesprechungseffekt durch die neue, patentierte Dualdyne-Technologie so gut wie auszuschalten. Für den Künstler heißt dies, dass er auf eine durchgehend ausbalancierte, natürliche Stimmwiedergabe zählen kann – ganz gleich, ob er beim Singen einen kleineren oder größeren Abstand zum Mikrofon bevorzugt.

Glossar

Achtcharakteristik
siehe Richtcharakteristik

elektromagnetisches Mikrofon
= dynamisches Mikrofon

Feedback
= Rückkopplung

Frequenzgang
Größe, die angibt, wie empfindlich ein Mikrofon auf unterschiedliche Frequenzen reagiert; Von einem linearen Frequenzgang spricht man, wenn das Ausgangs- dem Eingangssignal entspricht und der Gesang damit ohne nennenswerte Veränderungen über das Mikrofon sehr real und natürlich wiedergegeben wird.

gerichtetes Mikrofon
siehe Richtcharakteristik

Lavaliermikrofon
kleines Ansteckmikrofon; meist für Sprachanwendungen, aber auch für Musicaldarstellungen

Naheffekt
= Nahbespechungseffekt

Nierencharakteristik
siehe Richtcharakteristik

Proximity-Effekt
= Nahbesprechungseffekt (engl. proximity = Nähe)

Richtcharakteristik; Richtmikrofon; Richtwirkung
Während Mikrofone mit Kugelcharakteristik Schall „rundherum“ aus allen Richtungen gleichermaßen aufnehmen, zeichnen sich Richtmikrofone dadurch aus, dass sie optimiert für die Schallaufnahme aus definierten Richtungen sind (Schallaufnahme vor allem von vorne, von hinten so gut wie nicht = Nierencharakteristik; besonders starke Schallaufnahme von vorne, dabei gleichzeitig auch hohe Empfindlichkeit für Schall direkt von hinten = Supernierencharakteristik; Schallaufnahme von vorne und hinten, aber nicht von der Seite = Achtcharakteristik)

Supernierencharakteristik
siehe Richtcharakteristik

Quellen/Bilder:
audiotranskription.de/content/gesangsmikrofone-im-vergleich
de.wikipedia.org/wiki/Dynamisches_Mikrofon
de.wikipedia.org/wiki/Nahbesprechungseffekt
pixabay.com/de/photos/sänger-band-musik-konzert-485531/
shure.com/de-DE/support

Letzte Aktualisierung:

Dieser Beitrag wurde am von in Beratung veröffentlicht.

Von Jutta Kuehl

Jutta Kühl, PR und Texterin bei Musikhaus Kirstein GmbH.